Von Puebla bis Catemáco
Vom 18. bis 24. Oktober 2018

Vom Trailer Park Las Américas fahren wir 10 km in das Zentrum von Puebla und stellen unseren Roller in einer ruhigen Seitenstraße ab. Wir spazieren direkt zum gepflegten Zócalo, wo das pralle mexikanische Leben an diesem Sonntag pulsiert. Ganze Clown-Familien bringen, unüberhörbar unterstützt von Lautsprechern die Leute zum Lachen. Kleinhändler laufen umher, einzelne Musiker spielen, Tacos und viele andere Kleinigkeiten werden verkauft. Die Luftballon-Ansammlungen der Verkäufer sind zusammen bis zu drei Meter hoch. Auf der langen Fußgängerzone 5 de Mayo ist der Bär los. Viele Menschen flanieren hier, alle Geschäfte sind auch am Sonntag geöffnet und auf der Straße werden außerdem noch alle möglichen Sachen angeboten. In den Seitengassen werden riesige Mengen an Plastikzeug für Halloween angeboten werden. Außerdem stehen da die Knabbereien in allen Farben in großen Säcken, die zum Leibesumfang vieler Mexikaner erheblich beitragen. Die weiteren Straßen mit den vielen kleinen Läden haben praktisch das Angebot eines Mercados und außerdem wird auf den Straßen alles Mögliche angeboten. Musik erschallt überall und außerdem quält sich der Autoverkehr hier durch. Dazu das Rufen der Händler. Es ist laut, laut, laut. Das ist Mexiko live. Wir besichtigen die Kirche Santo Domingo und Capilla de Rosario und die zweitgrößte Kathedrale Mexikos mit der glänzenden Kachelkuppel und zwei über siebzig Meter hohen Glockentürmen. Innen ist sie blumengeschmückt und hat fünf Schiffe und 14 Seitenaltäre. Einmalig ist die alte Biblioteca Palafoxiana mit 6000 Bänden an hohen kunstvoll geschnitzten Regalen. In einem kleinen Restaurant einer Seitenstraße lassen wir uns die für Puebla typische Pollo Mole Poblano schmecken, Hühnchenfleisch mit einer schwarzen Schokoladensauce, die mit Chilli scharf gewürzt ist.

Im Zentrum von Cholula besteigen wir zunächst die Tepanapa-Pyramide, die an Volumen größte Pyramide der Welt. Oben drauf steht die Kirche Nuestra Senora de los Remedios, die die Spanier als Zeichen ihrer Überlegenheit vom 16. bis 19. Jahrhundert auf dem Gipfel errichtet haben. Ein herrlicher Blick bietet sich uns über Cholula bis hin zu den an den Gipfeln der teils wolkenverhangenen Vulkane Popocatépetl, Iztacíhuatl und dem weit entfernten Malinche. Die Kirche hier oben ist prachtvoll restauriert und im Inneren glänzen die mit Blattgold verschönerten Stuck-Ornamente phantastisch. In engen Gängen laufen wir unten durch die Tepanapa-Pyramide. Am Zócalo sitzen in einem Café der 170 m langen Arkadengänge des Portal Guerrero. Dabei blicken wir hinüber zur Iglesia San Pedro, die gerade restauriert wird. Später sehen wir uns die vielkuppelige Capilla Real (1631-1731) an. Drinnen ragen viele Säulen in die Höhe dieses riesigen Bauwerks. Bauliches Vorbild war die große Moschee in Cordoba/Spanien. Daneben die Capilla de la Tercera Orden und die Klosterkirche des Convento de San Gabriel. Beim Trailer Park Las Américas treffen wir 
Claire und James wieder. Die Engländer aus Kanada berichten begeistert von ihrer Besteigung des Nevado de Toluca (4660 m).

Da die Straße nach Tlaxcala nicht ausgeschildert ist, frage ich einen Polizisten in seinem Streifenwagen. Und er fährt vor uns her über 10 km durch die nördlichen Außenbezirke der Stadt und kleine Dörfer bis zu einer Abzweigung, wo Tlaxcala ausgeschildet ist. Muchas Gracias!

 


Die Straße 190 glänzt mit vielen Schlaglöchern und eine ganze Serie von über 20 Topes zieht sich von Santa Maria Zacatepec bis Huejotzingo. Später erreichen wir nach insgesamt fast drei Stunden gut durchgeschüttelt Tlaxcala, die Hauptstadt des gleichnamigen kleinsten Bundesstaates. Sie liegt von Hügeln umgeben am Fuße des Vulkans Malinche. Wir stellen unseren Roller im Zentrum ab und gehen zunächst zum von großen Bäumen bestandenen und gepflegten Zócalo, der von Gebäuden mit Arcaden flankiert ist. Das besondere an der Stadt sind auch die vielen orange-rot und ocker gestrichenen Kolonialhäuser. Auf der kleineren pittoresken Plaza Xicohténcatl steht die Statue des gleichnamigen Tlaxcalteken-Führers. Ringsherum sind heute am Samstag viele Marktstände mit traditionellen Souvenirs aufgestellt. Dazu Verkauf von Tacos und Süßigkeiten durch Kleinhändler und einzelne Musiker. Die Basilica y Santuario de la Virgen de Ocotlán ist eine der schönsten barocken Walfahrtskirchen Mexikos. Phantastisch, was die Künstler hier zu Ehren Gottes geschaffen haben. Dann noch ein Blick in die ebenso prunkvolle und vergoldete Hauptkirche, in der gerade ein Paar getraut wird. Im Palacia de Gobierno bestaunen wir die großartigen Murales (Wandgemälde). Toll, wie eindrucksvoll die Künstler hier seit 60 Jahren die Geschichte Mexikos dargestellt haben. Besonderheit des Ex-Convento Francisco de Nuestra Senora des la Ascuncion ist die wundervolle Holzdecke im Mudejar-Stil.

Auf der Weiterfahrt nach Süden erkennen wir bei guter Fernsicht den etwa 200 km entfernten schneebedeckten Vulkankegel des Pico de Orizaba, mit 5636 m der höchste Berg Mexikos. Als wir durch einen kleinen Ort auf unserer Seite rechts fahren, sehe ich zweimal gerade noch rechtzeitig, dass die Kanaldeckel fehlen. Glück gehabt. Von da an nehme ich nur noch die linke Spur. Dass die Kanaldeckel manchmal bis zu 10 cm tiefer liegen, daran muss man sich hier in Mexiko gewöhnen. Aber dass Kanaldeckel fehlen wie schon vor 30 Jahren, ist der Hammer. Auf der teils saumäßigen Straße fahren wir vorbei Schäfern mit ihren Herden, an Mais- und Gemüsefeldern, Haufen von weißen Resten des Abbaus der Marmorfabriken. Immer wieder halten wir an Topes und oft sind dort am Straßenrand kleine Verkaufsstände aufgebaut. Jeden Tag sehen wir mindestens einen toten Hund auf der Straße und nachdem genügend Fahrzeuge darübergefahren sind, liegt nur noch dass trockene verweste Fell auf der Straße. Wir halten bei einem der wenigen Plätze am Straßenrand und ich bestelle drei Gorditas. Ich bekomme aber vier Gorditas und dazu noch zwei Tortillas. Dafür soll ich 10 Pesos bezahlen, also 50 Eurocent. Ich will 12 geben, aber die Senora will nicht mehr Geld haben. Wir werden lecker satt. Über Tehuacan geht's auf überraschend gut geteerter, aber kurvenreicher Straße hinauf in die Berge. In 1440 m Höhe erreichen wir den Jardin Botanica Helia Bravo Hollis, wo wir zwischen vielen Cordón Kakteen einen Stellplatz finden. Nach vielen geräuschvollen Tagen genießen wir die Ruhe und den Ausblick auf den Kakteenwald, der sich bis zu den Bergen hinauf zieht. Am nächsten Tag liegt ein Kleinwagen total zerstört an der Leitplanke, auf die er offensichtlich wegen überholter Geschwindigkeit geknallt ist. Das war also gestern. Ob da noch jemand lebend herausgekommen ist?

An der MEX 135 sehen wir Felder von Dahlien und Büsche, die rechts und links bis an den Straßenrand und darüber hinaus reichen. So kann man die Straßenbreite auch verkleinern. Immer wieder Schlaglöcher. Wir fahren durch tiefgrüne Landschaft mit vielen Kakteen. Hinter Teotitlan dann weniger Verkehr auf bis 900 m abwärts führender Straße durch nun weitläufigere Landschaft. Keine Kakteen mehr, sondern Schilf-Gebiete entlang nun kurviger werdender Straße. Eine ärmliche Gegend mit viel Müll am Straßenrand. Topes werden hier Reductores werden oftmals nicht angekündigt. Die Landschaft ist felsig mit Kakteen und niedrigen Bäumen. Durch das breite Tal fließt der recht volle Rio Grande. Einfache Holzhütten stehen in dieser Gegend mit Blech- oder Strohdach. Auf einer langen geraden und eng bewachsenen Straße kommt mir ein LKW entgegen, so dass ich nahe an dem hohen Gras entlangfahren muss. In diesem Moment will gerade ein Mann aus dem Graben an meiner Seite auf die Straße, sieht mich und fällt rechtzeitig wieder in den Graben. Glück gehabt, Amigo. Ab und zu kommt uns ein Mann mit einer Machete am langen Arm entgegen auf dem Rückweg von der Ackerfläche nach Hause. Genau wie vor 30 Jahren. Wir sind beide voll konzentriert, um unangekündigte Topes/Vibradores rechtzeitig zu erkennen. Später in San Juan Batista stehen etwa hundert Männer und Frauen und auch Autos vor einem Seil, dass quer über die Straße gespannt ist. Am Straßenrand ein Banner mit der Aufschrift JUSTCIA (Gerechtigkeit) Als ich zunächst halte, zeigt man mir an, dass ich langsam weiterfahren soll bis zum Seil. Dann stehen etwa 50 Männer, teils mit Knüppeln vor unserem Camper und rings herum. Einige meinen, wir sollten Pesos bezahlen. Ich sage mit einem Lächeln auf Deutsch, dass ich nichts verstehe, weil wir aus Alemania kommen und nur Deutsch sprechen. Dann halten sie mir 500 Peso-Scheine hin und meinen, davon wollten sie zwei haben. Ich halte meine Hand raus und sage, das Geld kann ich gut gebrauchen. Gelächter ringsherum. Sie halten weiter die Scheine hin, sagen "Dollares", reden alle auf mich weiter Spanisch ein und ich rede weiter Deutsch und deute an, dass wir hier durch müssen. Einige ältere Männer haben zunehmend unfreundlichere Gesichtszüge und winken mit den Knüppeln. Dann kommt wohl der Jefe, der gemerkt hat, dass wir nicht zahlen werden und deutet an, wir sollten die Straße frei machen. Ich denke mir, bevor sie uns den Camper ramponieren, verziehen wir uns lieber, mit einem weiterhin freundlichen Lächeln. Ich fahre langsam zurück, drehe und rufe zum Abschied noch freundlich "Gracias por Hospidalidad de Mexico!". Dann verlassen wir diesen gemütlichen Ort und hundert Kilometer zurück zur mautpflichtigen MEX 135D. Aber dort stehen später viele LKW rechts der Straße. Autos fahren langsam dran vorbei, wir auch. Etwa 20 Männer mit Knüppeln blockieren die Fahrbahn und wollen Pesos. Ich begrüße sie mit "Saludos des Alemania", rede wieder nur viel Deutsch mit einem freundlichen Lächeln. Die Truppe lacht über die eigenartige Sprache, will trotzdem Geld und ich trotzdem nicht zahlen. Schließlich merken sie, dass ich wir ein hoffnungsvoller Fall sind und langsam fahre ich an der Truppe vorbei. Puuuh! Nur 400 Kilometer wir heute in zehnstündiger Fahrt geschafft.

Nachdem wir die Stadt Oaxaca durchquert haben, erreichen wir Tule, wo wir auf dem ausgezeichneten Overlander Oasis von Leanne und Calvin übernachten. Der nette Ort Tule glänzt mit schön gestalteten Parkanlagen im Bereich Rathaus und Kirche. Direkt neben der Kirche die riesige über 2000 Jahre alte Zypresse. Sie ist 42 Meter hoch, hat einen Umfang von 58 Meter und einen Durchmesser von 14 Meter, ein großartiges Naturwunder. In einer Werkstatt dauert die Spureinstellung unseres Campers eine gute Stunde und kostet nur 120 Pesos (6 €). Anschließend lasse ich den Ersatzreifen vorn links anbringen und den dortigen hinten unten am Camper befestigen. Mit zwei Mann arbeiten sie daran und verlangen von mit nur unglaubliche 20 Pesos, also 1 Euro. Ich gebe natürlich jeweils noch mehr und verteile Visitenkarten. Alle sind sehr freundlich. Ob das Amerikanern hier auch so ergangen wäre? Von 1.600 m fahren wir vom Hochland auf der kurvigen und landschaftlich abwechslungsreichen Mex 190 hinunter auf fast Meereshöhe in die weite grüne Ebene des Isthmus von Tehuantepec, den wir anschließend nach Norden durchqueren. Nach vielen verhältnismäßig gut geteerten Straßen der letzten Tage kommt eine üble Strecke mit Unmengen von schlecht ausgebesserten Stellen auf dem Weg nach Catemaco. Beim Hotel Playa Azul übernachten wir im Wohnmobil und blicken auf die Laguna Catemaco, die von sanften Vulkanhügeln umgeben ist. An deren Ausläufern hat sich ein dichter tropischer Regenwald ausgebreitet. Diesen wollten wir eigentlich erkunden, aber in den nächsten Tagen regnet es unaufhörlich in dicken Tropfen. Also machen wir uns früher als geplant auf zur Halbinsel Yucatan.